Aufgabenstellung:

1. Analysiere den vorliegenden Text im Hinblick auf die Position des Autors zur Wirtschaftspolitik der Bundesregierung.

2. Ordne die Position des Autors begründet einer wirtschaftspolitischen Konzeption zu und stelle diese einer anderen wirtschaftspolitischen Konzeption gegenüber.

3. Soll der deutsche Staat nun weiterhin „auf eine restriktivere Politik […], aufs Sparen [setzen]“ (Z. 24) oder sich verschulden, um „in größerem Umfang konjunkturstützende Maßnahmen anzuschieben“ (Z. 26)? Nimm begründet Stellung.

 Textgrundlage:

Alexander Mühlauer: Um Europa zu retten, muss Deutschland investieren. In: „Süddeutsche Zeitung“ vom 26.05.2015; URL: http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/schuldenkrise-ein-pakt-fuer-europa-1.2492732, abgerufen am 22.04.2018

 Zum Autor:

Alexander Mühlauer, geboren 1981 in München, ist Absolvent der Deutschen Journalistenschule und studierte Journalistik, Volkswirtschaftslehre und Politikwissenschaft. Seit 2007 schreibt er für die „Süddeutsche Zeitung“.

Text:

Um Europa zu retten, muss Deutschland investieren (Alexander Mühlauer, 26.05.2015)

Man kann Yanis Varoufakis für einen Professor aus Athen halten, der zu sehr von sich selbst überzeugt ist. Man kann ihm vorwerfen, dass er lieber doziert statt handelt, (…) aber in einem hat der griechische Finanzminister recht: Europa braucht nach sieben Jahren Krise einen Neuanfang. Der Ökonom aus Athen führt die richtige Debatte – nur leider mit den falschen Methoden. Varoufakis fordert das, was der Kontinent dringend benötigt: einen New Deal, einen neuen Pakt für mehr Wachstum.

Wenn sich in dieser Woche die Finanzminister der G-7-Staaten in Dresden treffen, wird vor allem ein Land Varoufakis’ Position vertreten: die USA. Washington kritisiert den Kurs der Europäer in der Schuldenkrise schon seit Langem, und verantwortlich dafür sind nach Ansicht der Amerikaner vor allem die Deutschen. Fünf Jahre ist es nun her, da besuchte der damalige US-Finanzminister (…) seinen Kollegen in Berlin (…) und drängte darauf, die Griechenland-Krise schnell und entschlossen zu lösen. Deutschland müsse aufhören, den anderen Ländern zu harte Sparauflagen zu machen, und als größte EU-Volkswirtschaft mehr tun, um das Wachstum zu fördern.

Nach sieben Jahren der Krise braucht es einen Neuanfang Die Kanzlerin und ihr Finanzminister sehen das bekanntlich anders. Angela Merkel hat immer wieder gesagt, sie wolle eine “neue Stabilitätskultur in Europa” schaffen. Und in der Tat ist Schäubles solide Haushaltspolitik ein Erfolg, an dem sich andere Staaten ein Beispiel nehmen sollten. Die Voraussetzung dafür sind aber eben nicht bloß Sparmaßnahmen (die es braucht, wo Geld versickert), sondern steigende Einnahmen, die auf höherem Wachstum beruhen – doch das fehlt den meisten Ländern der Euro-Zone.

Es sind zwei unterschiedliche ökonomische Weltsichten, die noch immer aufeinanderprallen. Hier die Amerikaner, die mit einer expansiven Wirtschaftspolitik – mit viel staatlichem Geld – die Rezession erfolgreich bekämpft haben; und dort die Europäer, die angetrieben von Deutschland, auf eine restriktivere Politik setzen, aufs Sparen, und immer noch in der Krise stecken. Die Bundesrepublik ist das einzige große Land der Währungsunion, das genug Geld hat, um in größerem Umfang konjunkturstützende Maßnahmen anzuschieben. Frankreich kann das nicht, Spanien auch nicht und Italien erst recht nicht. Jetzt kann man natürlich fragen, was es den Nachbarstaaten helfen würde, wenn die Deutschen ein paar Milliarden Euro mehr in Straßen, Internet und Schulen steckten. Rein rechnerisch mag ihnen das nicht viel bringen, aber der psychologische Effekt ist nicht zu unterschätzen.

Deutschland sollte den Unternehmen und Finanzmärkten mehr Anreize geben Würde Deutschland den Unternehmen und Finanzmärkten mehr Anreize für Investitionen geben, würde die gesamte deutsche Volkswirtschaft davon profitieren. Und weil diese so groß und international verflochten ist, hilft dies auch Europa und der Welt. Niemand verlangt von den Deutschen, dass sie sich von ihrem Wirtschaftsmodell verabschieden und ihre Unternehmen weniger exportieren. Die Bundesrepublik muss am anderen Ende ansetzen und im Sinne des Ökonomen John Maynard Keynes ihre Binnennachfrage stärken. Berlin muss staatliche und private Investitionen fördern – beide sind im internationalen Vergleich zu niedrig. Merkel und Schäuble würden damit ein klares Signal setzen. (…)

 

Erwartungshorizont: EWH mündl. Prüfung Deutschland investiert, Europa gerettet