Thema
Die Vereinten Nationen – universelle Gestaltungsplattform internationaler Beziehungen im Jahrhundert multipolarer Herausforderungen?

Aufgaben
1. Analysieren Sie die vorliegende Rede im Hinblick auf die von Steinmeier vertretene Ansicht zur Gestaltung internationaler Beziehungen.
2. Stellen Sie Grundzüge der Organistion der Vereinten Nationen (Ziele, Struktur) dar.
3. Diskutieren Sie, ob die Vereinten Nationen universelle Gestaltungsplattform der internationalen Politik sind! Berücksichtigen Sie dabei auch konkrete historische Erfahrungen.

Materialgrundlage
Frank-Walter Steinmeier: Neue Weltordnung und transatlantische Beziehungen. Rede im Rahmen der Konferenz der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu den transatlantischen Beziehungen am 4. Juli 2008 in Berlin. (gekürzt)
Die Rede wurde im Zusammenhang mit der Eröffnung der amerikanischen Botschaft am Pariser Platz in Berlin gehalten. Anwesend war der ehemalige Außenminister der USA (1973-1977) Henry Kissinger. Der Redner ist Mitglied der SPD und derzeit deutscher Bundesaußenminister.

Neue Weltordnung und transatlantische Beziehungen
[…] Ich wünsche mir von Herzen, dass [das deutsch-amerikanische] Bündnis auch in der neuen Zeit, die nach dem Ende des Kalten Krieges angebrochen ist, stabil und lebendig bleibt. […] Dazu gehört der Kampf gegen den Terror, ganz zweifellos, aber er ist bei weitem nicht die einzige Aufgabe. Mindestens genauso wichtig ist die Frage, wie wir die neuen Mächte, die sich auf der Weltbühne selbstbewusst zu Wort melden, auf friedliche Weise integrieren. […] Interdependenz1 ist die Signatur unserer Zeit – in der Politik, auf den Märkten, bei den Bedrohungen.
Was wir gemeinsam […], politisch daraus machen, das ist noch Zukunftsmusik. Klar ist dagegen, dass die Übersichtlichkeit der bipolaren Welt, die Einteilung in gut und böse, als Denkmuster für die vor uns liegenden Aufgaben nicht mehr taugt. Die Konzepte des Kalten Krieges […] sind überholte Rezepte für die Probleme von heute und morgen. Die kommenden Jahrzehnte werden zur entscheidenden Probe auf unsere menschliche Intelligenz – und auf die Fähigkeit, Konflikte nicht in Konfrontation miteinander zu lösen, sondern in einem neuen Geist von Verständigung und Zusammenarbeit.
Kennzeichen des globalen Zeitalters ist das Zusammenrücken unterschiedlichster Sichtweisen und Weltanschauungen, die Vermischung vielfältigster Ideen und Perspektiven. Und in dieser komplexen Welt brauchen wir nach meiner Ansicht zwei Dinge, um politisch das Richtige zu tun. Zum einen sind dies feste Positionen als Fundament, auf dem wir handeln und bei anderen für unseren Standpunkt werben. Zum zweiten brauchen wir viel mehr wirkliches, tief empfundenes Interesse an den Erfahrungen anderer Kulturen, […] für ihre historischen Wurzeln, für die Stärken und Schwächen von Völkern und Gemeinschaften. Beides zusammen kann ein Kompass sein, der uns politisch auf dem richtigen Weg hält.
[…] Klimaschutz, Energie- und Ressourcensicherheit sind politische Themen, die darüber entscheiden, ob wir in der Welt von morgen sicher leben können. Dazu kommen Fragen, die die Mechanik der Globalisierung betreffen: Instabilitäten der Finanzmärkte, Inflationstendenzen, „Gerechtigkeitslücken“.
[…] Immer wieder müssen wir unseren Bürgern deutlich machen, dass auch Konflikte fern unserer Grenzen in der vernetzten Welt direkte Auswirkungen auf unsere Sicherheit haben. Das betrifft Brennpunkte wie Afghanistan oder Irak genauso wie die Unruhezonen in Afrika oder die Krisen des Nahen und Mittleren Osten.
[…] Der Aufstieg Chinas, Indiens und anderer Mächte auf die weltpolitische Bühne verlangt hohe politische Kunst, diese Prozesse friedlich zu gestalten. Schauen wir auf die deutsche Geschichte, und viele werden sofort wissen, was ich meine. Die Bildung Deutschlands als Nationalstaat und sein Aufstieg zur Hegemonialmacht in der Mitte Europas hat zwei Weltkriege ausgelöst und einen Kalten Krieg dazu, ehe wir in der Europäischen Union auf Dauer eine passende Balance gefunden haben. Mit Blick auf China, Indien und andere neue Mächte müssen wir in den kommenden Jahrzehnten im globalen Maßstab klüger handeln als manche in Europa vor uns! Setzen wir auf Kooperation und Inklusion2! Ich bin sicher: Der Versuch, den Westen ohne die übrige Welt neu aufzurichten, ließe uns mit einer Welt ohne den Westen enden. Deshalb wollen wir China, Indien und andere zu Mitgestaltern machen. Deshalb denken wir darüber nach, ob die G8 die Multipolarität angemessen repräsentiert.
[…] [A]llen Menschen jenseits des Atlantiks rufe ich zu: Let´s work on our common future – and let´s do it together! […]