Thema:

Protektionismus – das Mittel der Wahl in der Krise? (Am Beispiel der US-Wirtschaftspolitik) 

Aufgabenart:

Analyse – Darstellung – Diskussion

Aufgabenstellung:

  1. Analysieren Sie den vorliegenden Text hinsichtlich der von Jagdish Bhagwati vertretenen Ansicht zu dem von den USA betriebenen Protektionismus.                                      
  2. Stellen Sie eine Ihnen bekannte Theorie des Außenhandels strukturiert dar.
  3. Problematisieren Sie die Idee des Freihandels, so wie sie vom Autoren u.a. vertreten wird. Gibt es Ihrer Ansicht nach auch gute Gründe für die z.B. von der Barack Obama-Administration betriebenen Politik?

Textgrundlage:

Bhagwati, Jagdish: Freihandel bis zum Überdruss. Auf der Website: Project Syndicate veröffentlicht am 29.02.2012. (http://www.project-syndicate.org/commentary/bhagwati22/German)

Die Non-Profit-Organisation Project Syndicate verbreitet jährlich weltweit Hunderte von Kommentaren, die von maßgeblichen Publizisten, Wissenschaftlern, Politikern und politischen Aktivisten verfasst worden sind.

Jagdish Bhagwati ist Professor für Wirtschaft und Recht an der  Columbia University und Senior Fellow der internationalen Wirtschaftswissenschaften beim Council on Foreign Relations.

 Textgrundlage

“Freihandel bis zum Überdruss” von Jagdish Bhagwati

Über die krausen Ideen, die mittlerweile in der Regierung der Vereinigten Staaten den handelspolitischen Hausverstand ausschalten, ist von so vielen Autoren schon so viel geschrieben worden, dass man sich fragt, ob es diesbezüglich überhaupt noch etwas zu sagen gibt. Aber es lohnt sich in Erinnerung zu rufen, was Pierre-Joseph Proudhon angeblich dem russischen Intellektuellen Alexander Herzen mitteilte: „Glauben Sie vielleicht es reicht, etwas einmal zu sagen?… Man muss es den Menschen einbläuen, es fortwährend wiederholen.“

Wir benötigen einen Leitfaden zu den wichtigsten Irrtümern in der Handelspolitik. Dies in der Hoffnung, dass (…) gute wirtschaftspolitische Ansätze die schlechten überflügeln. Vier Irrtümer sind dabei zu korrigieren.

Der erste Irrtum besteht in der Aussage, dass Exporte Arbeitsplätze schaffen und Importe nicht – ein Trugschluss, der nun in den USA eine Auferstehung erlebt und den der große Handelswissenschaftler Harry Johnson auf den Merkantilismus zurückführte. In einer Welt, in der Teile und Komponenten von überall kommen, gefährdet eine Intervention im Bereich der Importe die Wettbewerbsfähigkeit. Der Erfolg von Paketzustelldiensten beispielsweise hängt sowohl von Importen ab, die in einem Land verteilt werden müssen, als auch von Exporten.

Zweitens hat das Credo „Handel statt Hilfe“ zu der irrigen Annahme geführt, dass es weniger auf den Handel als auf Auslandshilfe ankommt. Die dem Importwettbewerb stets ängstlich gegenüberstehende Arbeiter-Wählerschaft hat die Handelspolitik unterminiert. Außerdem wurde dadurch die Hilfspolitik in eine Richtung gedrängt, in der man jenen Bereichen Priorität einräumt, wo die Erträge der US-Bemühungen relativ unbedeutend ausfallen.

Dementsprechend ist das US-Außenministerium nun, trotz jahrzehntelanger massiver Gewinne aufgrund der Beseitigung von Handelshindernissen, also nicht mehr der Anwalt einer multilateralen Handelsliberalisierung. Stattdessen hat sich die US-Behörde für internationale Entwicklung renditeschwachen Programmen verschrieben, die als randomisierte Experimente konzipiert sind. (…) Aber selbst wenn alle diese Programme erfolgreich sind, würde ihr Nutzen nicht einmal einen kleinen Teil jener dokumentierten Gewinne ausmachen, die aufgrund des Handels und anderen Strategien auf Makro-Level lukriert wurden und an denen die USA nun ihr Interesse verloren haben.

Drittens herrscht vielfach der Glaube, dass Produzenten eine besondere Förderung verdienen. Das ist praktisch das Mantra der Regierung von US-Präsident Barack Obama und es hat ihm mittlerweile nicht nur die Unterstützung  eines Großteils der ökonomischen Community gekostet, sondern auch die von Christina Romer, der ehemaligen Vorsitzenden seines wirtschaftlichen Beraterstabs. In einem jüngst erschienenen Zeitungskommentar wies sie praktisch alle von der Produzentenlobby vorgebrachten Argumente für eine Sonderbehandlung zurück. (…)

Schließlich wird der Finanzsektor mittlerweile als der Untergang der Moral betrachtet. In einer Welt des Finanzbetrugs und des Insiderhandels fällt es leicht, das zu glauben und der Meinung zu sein, dass der Finanzsektor besteuert werden müsste. Die Moral allerdings betrifft alle Sektoren. Es gibt überall viele ehrliche Menschen, aber auch Ganoven. (…)

Angesichts dieser Irrtümer tritt der Protektionismus wieder als großer Feind in Erscheinung. Im Jahr 1999, als man während der Welthandelskonferenz mit Bombendrohungen und Chaos konfrontiert war, fragte ich den damaligen Generaldirektor der Welthandelsorganisation, Mike Moore, ob wir nicht bereit sein sollten, für die große Sache des Freihandels zu sterben. Eigentlich hätte die Frage lauten sollen, ob wir nicht zumindest bereit sein sollten, dafür zu leben.

Zwischen alten und neuen Irrtümern sowie der sicheren Aussicht darauf, dass die Widerlegung einer jeden schlechten Idee es nur einer anderen ermöglicht, Fuß zu fassen und sich an ihrem Platz zu entfalten, ist die Arbeit für einen Verfechter des Freihandels niemals zu Ende.