Thema: Wirtschaftswachstum durch Schuldenabbau?
Aufgabenart: Analyse – Darstellung – Stellungnahme
Aufgaben:
- Analysieren Sie die Position der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) zur Schuldenkrise und zum Wirtschaftswachstum. Ordnen Sie die Position einer wirtschaftspolitischen Denkrichtung zu. (Anforderungsbereich 2)
- Stellen Sie dar, welche Maßnahmen Vertreter der zweiten („konträren“) wirtschaftspolitischen Denkrichtung ergreifen würden, um eine Wirtschafts- und Schuldenkrise abzuwehren bzw. zu bewältigen. (Anforderungsbereich 1)
- Nehmen Sie begründet Stellung zu dem wirtschaftspolitischen Konzept der INSM – auch vor dem Hintergrund der Forderung nach sozialer Gerechtigkeit und einer immer weiteren Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich. (Anforderungsbereich 3)
Textgrundlage:
Positionspapier der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, 4. Juli 2012 mit dem Titel „Nachhaltig wachsen. Besser leben.“
Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) ist eine Denkfabrik im Auftrag bestimmter Interessensgruppen für neue Wege in der Wirtschaftspolitik.
Text:
Nachhaltig wachsen. Besser leben.
Europa steckt in der Schuldenkrise. Viele EU-Staaten reißen den Maastricht-Grenzwert, wonach die Schulden 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) nicht übersteigen dürfen. Einige Euro-Länder haben dadurch das Vertrauen der Finanzmärkte verloren. Die Zinslasten für ihre Staatsanleihen sind gestiegen, manchen Euro-Ländern drohte oder droht die Zahlungsunfähigkeit. Mit Milliardenkrediten, vor allem durch andere Euro-Länder, wurden diese Staaten vor der Zahlungsunfähigkeit bewahrt.
Selbst Deutschland, ein auf den Märkten vertrauengenießender Staat, hat eine drückende Schuldenlast. Verteilt man die Staatsschulden auf seine Einwohner, dann ist jeder Bundesbürger mit rund 25.000 Euro verschuldet. In der Summe beträgt die deutsche Staatsschuld rund 80 Prozent des BIPs. Allein der Schuldendienst für die Begleichung der Zinslasten ist der zweitgrößte Posten im Bundeshaushalt. Hinzu kommt eine versteckte Verschuldung aus Leistungsversprechen der Sozialversicherungen und Pensionslasten, die erst in der Zukunft anfallen. Sie stellen gleichermaßen einen Anspruch an den Staat dar, den die künftigen Steuer- und Beitragszahler finanzieren müssen. Laut Berechnungen des Forschungszentrums „Generationenverträge“ beläuft sich diese sogenannte „implizite Verschuldung“ auf 147 Prozent des BIPs. Somit ergibt sich eine Gesamtverschuldung von 230 Prozent der Wirtschaftsleistung.
Um die Schuldenkrise zu überwinden und den Wohlstand in Europa auch für künftige Generationen zu sichern, müssen die Staatsschulden deutlich reduziert werden. Deutschland hat dafür 2009 die Schuldenbremse für Bund und Länder eingeführt, die seit 2011 verbindliche Vorgaben zur Reduzierung des Haushaltsdefizits macht. […]
Euro-Staaten, die bereits heute Kredite von anderen Euro-Ländern erhalten, etwa im Rahmen des European Financial Stability Facility (EFSF), müssen im Gegenzug für die Kreditvergabe Reform- und Sparvorhaben umsetzen. Diese Reform- und Sparanstrengungen stehen in der Kritik. Weil die besonders hart von der Schuldenkrise betroffenen Staaten unter einer abnehmenden Wirtschaftsleistung leiden, wird gefordert, die Reformvorhaben abzuschwächen und die Pläne der Schuldenreduzierung zu strecken. Zugleich soll mit Konjunkturprogrammen die Wirtschaft angekurbelt werden. Die INSM lehnt solche Konjunkturprogramme ab. Aus folgenden Gründen:
Erstens gilt grundsätzlich der ökonomische Zusammenhang, dass eine Volkswirtschaft nur wachsen kann, wenn sie spart. Sparen ist das Gegenteil von Konsumieren und stellt die Finanzmittel für Investitionen bereit, aus denen Wachstum entsteht. […]
Zudem wird in Krisenzeiten meist, um die Konjunktur anzukurbeln, eine hohe Verschuldung in Kauf genommen, in Phasen des stärkeren Wachstums ist aber meist die politische Willenskraft zu schwach, um die Defizite abzubauen.
Eine Krise, die durch zu hohe Verschuldung entstanden ist, wird nicht dadurch gelöst werden können, indem man den Abbau der Verschuldung vernachlässigt oder sogar mehr Schulden macht. Empirische Studien zeigen, dass sich hohe Staatsschulden negativ auf das Wirtschaftswachstum auswirken: In Perioden, in denen die Staatsverschuldungsquote 90 Prozent des BIPs überstieg, war die durchschnittliche BIP-Wachstumsrate ungefähr einen Prozentpunkt geringer als in Perioden mit niedrigerer Verschuldungsquote. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Wer eine glaubwürdige Entschuldungspolitik verfolgt, der löst Unsicherheiten auf und gibt den Menschen eine hoffnungsvolle Zukunft. Die Folge: Investitionen steigen, die Zinslasten für Kreditaufnahmen sinken.
Wirtschaftswachstum durch vermehrte Staatsausgaben zu finanzieren, ist ein Strohfeuer mit negativer Langzeitwirkung. Die Empirie zeigt, dass die von den europäischen Regierungen im Zuge der Finanzkrise geschnürten Konjunkturpakete in den Jahren 2008 und 2009 nicht zu einem überproportionalen BIP-Wachstum geführt haben. […] Was aber bleibt, sind höhere Zinslasten.
Eine zu starke Erhöhung der Staatsausgaben hat langfristig sogar negative Wachstumseffekte. Empirische Studien zeigen, dass die jährliche BIP-Wachstumsrate in OECD-Ländern um 0,5 bis 1 Prozentpunkt sinkt, wenn die Staatsquote um 10 Prozentpunkte steigt.
Statt schuldenfinanzierter Konjunkturpolitik müssen die Staaten langfristige Wachstumsmöglichkeiten nutzen. Dauerhaft hohes Wachstum erleichtert – infolge höherer Steuereinnahmen – den Schuldenabbau. Mehr Wachstum entsteht durch Deregulierung von Märkten, Privatisierung, Abbau von Subventionen und einer stabilitätsorientierten Geldpolitik.
http://www.insm.de/insm/ueber-die-insm/Positionen/sparen-und-wachsen.html (Abruf: 22.11.2012)