Thema: Welche Zukunftsperspektiven hat die Generation Z?
Aufgaben
- Beschreiben Sie den sozialen Wandel der letzten Jahrzehnte in Deutschland anhand von zwei Bereichen.
- a) Analysieren Sie den Text hinsichtlich der Position des Autors zur „Generation Z“.
b) Arbeiten Sie zwei Aspekte der Individualisierungsthese nach Beck aus dem Text heraus.
3. Erörtern Sie die Zukunftsperspektiven der „Generation Z“ in der Arbeitswelt einer „digitalen Gesellschaft“ (Z.45f). Berücksichtigen Sie dabei zwei Chancen und zwei Risiken. Nehmen Sie abschließend kriterienorientiert Stellung zur Position des Autors.
Materialgrundlage: Johann Stephanowitz: Uns eint die Panik; Zeit Online; 13. Juli 2016 (http://www.zeit.de/karriere/2016-07/generation-z-abitur-berufseinstieg-digitaler-wandel/)
Johann Stephanowitz machte 2016 Abitur in Berlin und sammelte erste journalistische Erfahrungen als Chefredakteur einer Schülerzeitung, beim Tagesspiegel, Politik Orange und im Vorstand der Jungen Presse Berlin. Er lebt in Berlin, studiert Kulturwirtschaft sowie Europäische Ethnologie und arbeitet als freier Journalist.
Text:
Die Welt steht uns offen, heißt es. Wir Abiturienten könnten beruflich doch alles machen, heißt es. Der Arbeitsmarkt gebe das her, heißt es. Fachkräfte seien rar und keine andere Generation sei so gut ausgebildet, technikaffin und weltoffen aufgewachsen wie wir. Generation Z werden wir genannt. [..] Die meisten von uns sind nur noch zwölf Jahre zu Schule gegangen. Wir sind mit Smartphones und sozialen Netzwerken aufgewachsen. Und waren oft das i-Tüpfelchen im Leben unserer Eltern, die oft wie Helikopter um uns kreisten. Jetzt verlassen wir die Schule und sollen raus in die große Welt, auf den Arbeitsmarkt. Und die vermeintliche Freiheit fühlt sich wenig befreiend an. Schon Monate vor dem Abschluss haben wir uns gegenseitig gefragt: “Und? Was machst du nach dem Abi?” Aber die meisten hatten keine Antwort darauf. Nicht zuletzt auch, weil der Arbeitsmarkt tief im digitalen Wandel steckt und Europa von einer Krise nach der nächsten erschüttert wird. Niemand weiß, ob Europa in dieser Form eine Zukunft haben wird, ob der Euro stabil bleiben wird oder welche Branche wirklich Zukunft hat. Eltern, Lehrer, ältere Geschwister – alle sind tief verunsichert und können uns keine Antwort darauf geben, was denn “ein sicheres Ding” sei. Schule – das war ein sicheres Ding mit verständlichen Regeln. Eine überschaubare Welt. Wir lernten, wie man Analysen von Goethe-Gedichten und Erörterungen romantischer Kunstmärchen schreibt. Wie man Geraden durch Kugeln schießt. Oder wie man lateinische Texte übersetzt und das Versmaß derselbigen bestimmt. Wir wussten: Wenn die Noten ausreichen, ist die Versetzung nicht gefährdet. Und wir lernten auch, dass es sich lohnen kann, sich reinzuhängen – weil man dann mit einer guten Note belohnt wird. All dieses überschaubare Wissen wird nun auf einem Stück Papier in Form einer Durchschnittsnote qualitativ für den Arbeitsmarkt erfasst. Ähnlich einem Lebensmittelsiegel, dass einem im Supermarkt die Qualität eines Produktes anzeigt. Und der Personaler steht dann vor dem Regal und grabbelt sich die Sachen mit dem besten Prädikat raus, während die mit dem schlechten in der Ecke vergammeln dürfen. Aber reicht ein Abitur-Gütesiegel wirklich, um in der realen, global vernetzten Arbeitswelt bestehen zu können oder überhaupt Fuß fassen zu können? [..] Das Konzept einer modernen Schule ist, dass man das Lernen lernt. Doch Fakt ist, dass die Schule einen nur wenig auf das Leben in einer digitalen Gesellschaft vorbereitet. Die Methoden des Unterrichtens haben sich nur wenig verändert. Und in Sachen Zukunftsorientierung haben die meisten weiterführenden Schulen wenig zu bieten. [..] Die naheliegende Antwort, die uns auch von Eltern und Lehrern eingebläut wird, lautet dann: Geh erst einmal studieren. [..] Und so streben wir an die Hochschulen und Universitäten. Die Statistik zeigt: Die Zahl der Abiturienten und Studienanfänger ist seit vielen Jahren steigend. Das führt in vielen Berufen und Branchen zu einer zunehmenden Akademisierung. Die Bildungsfernen und Schwachen gehen jetzt schon unter und landen oftmals in der Dauerarbeitslosigkeit, wie etwa in Spanien oder Griechenland. Und bei uns? Da studieren die meisten ein Fach, ohne sich dazu berufen zu fühlen. Da schließen Haupt- und Realschüler die Hochschulreife an, um bloß eine Chance zu haben. Da findet der Mittelstand keine Lehrlinge mehr für normale Ausbildungsberufe. Hat man dann den Bachelor oder Master, sind viele schon Ende 20. Und dann? [..] Dann heißt es Klinken putzen und sich von einem mies bezahlten Praktikum zum nächsten zu hangeln. Jeder zweite neue Arbeitsvertrag ist nur befristet. Viele hängen die ersten Jahre im Job sowieso in Kettenbefristungen fest. […] Und so werden viele von uns irgendwann zu scheinselbständigen Freelancern. Glaubt man Zukunftsforschern, ist das sowieso das Arbeitsmodell der Zukunft. Aber wirtschaftliche und soziale Sicherheit sieht anders aus. Mit diesen Szenarien im Kopf entscheiden sich andere dann lieber gleich für den angepassten Weg des Selbstoptimierers, der sich in seinem Lebenslauf keinen Schnitzer erlauben will. [..] Die Vertreter dieser Gruppe büffeln für das Einser-Abitur, von dem es Jahr für Jahr immer mehr gibt. [..] Nicht wenige können aber irgendwann im späteren Leben nicht mehr – und brennen aus. [..] Ich glaube, dass es sich lohnt, sich nicht dem Selbstoptimierungswahn des Arbeitsmarktes hinzugeben, sondern anzupacken und mitzugestalten – und dafür materiell Abstriche zu machen. Denn, das ist richtig, meine Generation versteht unter Arbeit vor allem auch eine sinnvolle Tätigkeit. Wir sind nicht unpolitisch, auch wenn wir mit Smartphones und sozialen Netzwerken aufgewachsen sind. Wir sind vielleicht sogar politischer als andere Generationen vor uns. Wir setzen uns für Geflüchtete und gegen Rechtsextremismus, Sexismus und Xenophobie1 ein. Vielleicht liegt in diesem idealistischen Weg dann die große Freiheit, die uns versprochen wird. Denn wenn vor allem Unsicherheit unsere Zukunft bestimmt, sind auch alle Wege offen, uns unseren individuellen Weg zu bahnen. Und dabei die Welt ein Stückchen gerechter und vielleicht auch sicherer zu machen.