Thema der Klausur: 

Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union

Aufgabentypen:

Erläutern – Analysieren _ Erörtern

Aufgaben: 

  1. Erläutern Sie Ziele, Aufgaben und Herausforderungen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) der Europäischen Union.
  2. Analysieren Sie die Position des Autors in Hinblick auf den aktuellen Stand der GASP.
  3. Erörtern Sie vor dem Hintergrund sicherheitspolitischer Herausforderungen im 21. Jahrhundert die Notwendigkeit einer europäischen Sicherheitspolitik. Berücksichtigen Sie dabei sowohl die Perspektive der Mitgliedsstaaten als auch der Europäischen Union.

 Material: 

“Klägliches Jeder-für-sich”, Andreas Schwarzkopf in: Frankfurter Rundschau, am 21.12.2013, S. 11

Text:

 Klägliches Jeder-für-sich 

Mal wieder haben die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union bei einem Gipfel ein selbst gestecktes Ziel verfehlt. Nach fünf Jahren wollten Kanzlerin Angela Merkel und ihre Amtskollegen erneut über die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik diskutieren und sie weiterentwickeln. Am Ende kam fast nichts dabei heraus.

Im Januar werden sich die EU-Außenminister mit der Frage beschäftigen, ob der französische Militäreinsatz in der Zentralafrikanischen Republik zu einer Mission der Europäischen Union ausgeweitet wird. Außerdem verabschiedeten sie noch ein paar hübsch formulierte Formeln zum Thema. Mit dem kläglichen Ergebnis haben die EU-Verantwortlichen wieder einmal eine Chance auf mehr Europa vertan.

Dabei würde eine weitreichende Zusammenarbeit in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik für alle langfristig vieles bringen. Denn mehr Europa bei der Verteidigung heißt jährlich Milliarden Euro sparen, die dann für Wichtigeres ausgegeben werden könnten. Dafür müssten die Staaten sich nur darauf verständigen, wer wie viele Kampfjets und wer wie viele Marine-Schiffe unterhält.

Von den rund 1,9 Millionen Soldaten der 28 Mitgliedsstaaten könnten sicher einige zu Hause bleiben. Mit klaren sicherheitspolitischen Zielen wäre die numerisch stärkste Armee der Welt auch deutlich schlagkräftiger. Eine effiziente und einsatzfähigere Armee würde außenpolitisch die militärische Abhängigkeit zu den USA minimieren.

Das Heer, die Marine und die Luftwaffe würden zudem ihre Waffen bei europäischen Unternehmen erstehen. Auf diesem Wege würden hochwertige Arbeitsplätze auf dem alten Kontinent gesichert und Forschung vorangetrieben. Auch bei den Rüstungsaufgaben gibt es ein erhebliches Sparpotenzial. Denn derzeit geben die EU-Staaten für Rüstung per anno rund 195 Milliarden Euro aus – mehr als China, Russland und Japan zusammen. Eine schlagkräftige Armee würde der EU auch außenpolitisch helfen. Sie würde die politischen und diplomatischen Optionen um ein wichtiges Element erweitern.

Es ist aber lange her, dass die Verantwortlichen in Brüssel über solch eine Vision überhaupt sprachen. Es war die Antwort aus dem Völkermord in Ruanda und in Srebrenica sowie dem Kosovo-Krieg, als die EU nur mit Hilfe Washingtons auf dem eigenen Kontinent eingreifen konnte. Viele Jahre und einige Einsätze später ist von all dem nichts mehr übrig. Inzwischen sind die EU-Mitgliedstaaten beim Jeder-für-sich-Einsatz gelandet. Das ist nicht hilfreich und wenig zielführend.

Die französische Regierung beispielsweise nutzt den militärischen Einsatz in Zentralafrika auch, um von innenpolitischen Problemen abzulenken. Hollande besorgte sich dafür ein Mandat der Vereinten Nationen. Nun fordert Paris finanzielle Hilfe von den EU-Mitgliedern, die nur zahlen wollen, wenn sie auch mitbestimmen dürfen.

Bei all dem Gezänk gerät die Frage völlig aus dem Blick, wie sinnvoll die Intervention ist, ob den Betroffenen wirklich geholfen wird, ob die Bedrohung abnimmt und wie es nach dem Einsatz weitergehen soll. Der französische Einsatz wäre sicher erfolgreicher, wenn Paris sich über Ziel und Zweck mit EU-Mitgliedsstaaten abgestimmt hätte.

Nachdenklich sollte die Verantwortlichen in den EU-Hauptstädten zudem machen, dass viele Einsätze zur Symbolpolitik verkommen. Elf der 17 laufenden Missionen der Europäischen Union verfügen über lediglich 200 Einsatzkräfte. Oder deutlicher: Warum soll die EU Geld ausgeben für eine Mission wie jene zur Reform des Sicherheitssektors in der Demokratischen Republik Kongo, wenn sie nichts bringt und Brüssel lediglich sagen kann: Wir haben uns engagiert.

Dass die EU-Hauptstädte die gemeinsame Sicherheitspolitik so stiefmütterlich behandeln, hat viel mit der Banken- und Wirtschaftskrise zu tun. Sie band und bindet seit einigen Jahren viel Kraft der Politiker. Das ist nachvollziehbar, muss sich aber schnellstmöglich ändern. Es reicht nicht, wenn die EU zahlreiche Planungsstäbe einrichtet und zu einem Gipfel einlädt, bei dem vorher alle wissen, er wird nichts bringen.

Ein anderer Grund ist die Einsatzmüdigkeit der Bürger der Europäischen Union. Die postheroischen Gesellschaften wollen zunehmend von Kriegen und derlei hässlichen Dingen nichts mehr wissen. In Europa meinen wir unsere Lektionen nach vielen Kriegen gelernt zu haben. Und möchten am liebsten nur noch Handel treiben und dadurch den Wohlstand nähren oder verteidigen. Gerne vermittelt die EU auch bei Konflikten oder löst sie gar. Das ist nachvollziehbar.

Doch darf das nicht dazu führen, die gemeinsame Verteidigungspolitik so sehr zu vernachlässigen, dass die Europäische Union im Ernstfall gar nicht mehr eingreift oder eingreifen kann. Dann würde wir Europäer unserer internationalen Verantwortung nicht gerecht werden.

Zum Autor: 

Andreas Schwarzkopf leitet die Politik-Redaktion der Frankfurter Rundschau.