Thema 

Sanktionen als richtige Wahl im Ukraine-Konflikt?

 

Aufgaben 

  1. Analysieren Sie den vorliegenden Artikel im Hinblick auf die Position des Autors zu den Sanktionen der Europäischen Union gegenüber Russland.
  2. Diskutieren Sie eine alternative Maßnahme im Umgang mit dem Ukraine-Konflikt  (z. B. Wirtschaftsembargo durch die EU-Mitglieder, Einbeziehung von Verteidigungstruppen der NATO, Ver-hängen von Sanktionen durch den UN-Sicherheitsrat).

 

Materialgrundlage

Jörg Lau: Wirtschaftlicher Druck ist die einzige Alternative. In: Die Zeit vom 20.3.2014 (gekürzt)

Der Autor ist Redakteur im Ressort Außenpolitik der überregionalen Wochenzeitung „Die Zeit“.

 

Wirtschaftlicher Druck ist die einzige Alternative

Es gibt zwei gewichtige Gründe, warum die Debatte über Sanktionen gegen Russland in Deutschland Beklommenheit auslöst. Die beiden Motive verstärken einander noch, das macht die Sache so heikel. Erstens: Sanktionen können Teil einer Logik der Eskalation sein, die zum Krieg führt. […] Zweitens: Deutschland hat gegen Russland den schlimmsten Krieg der Geschichte geführt, einen Vernichtungskrieg, und es tut sich immer noch schwer damit, sich seiner besonders schweren Schuld an der Ostfront zu stellen. […]

Trotzdem: Sanktionen, wie Europäer und Amerikaner sie jetzt beschlossen haben, sind nicht die Stufenleiter zum Krieg, sondern die Alternative zur Militarisierung der ukrainischen Krise. Betrieben wird diese hingegen diesmal vor aller Augen von Wladimir Putin, der Soldaten mit und ohne Abzeichen losschickt, um russische Bürger vor Gefahren zu schützen, die er selbst erfunden hat.

Angela Merkel hingegen hat in ihrer Rede vor dem Bundestag klargestellt: Es kann keine militärische Lösung der Krimkrise geben. Darum müssen jetzt die Sanktionen angezogen werden. […] Allerdings darf die Absage an das Militärische nicht im Gegenzug bedeuten, dass Europa es hinnimmt, wenn mit vorgehaltener Waffe Grenzen verändert werden – um vorgeblich eine Minderheit zu schützen.

Nachdem Putin […] die Sezession der Krim anerkannt hat, sind schärfere Sanktionen unausweichlich. Niemand glaubt zwar, so die Entwicklung zurückdrehen zu können. Die Krim ist in Wahrheit verloren. Jetzt geht es um die Eindämmung des russischen Expansionsdrangs, der mit dem Rest der Ukraine – und vielleicht bald noch Georgien und den baltischen Staaten – die ganze europäische Nachkriegsordnung destabilisieren könnte.

[…] Was bringen [nun] Sanktionen? Russische Politiker, die von Amerikanern und Europäern auf schwarze Listen gesetzt wurden, höhnen: […] Macht nur weiter: Wirtschaftssanktionen fürchten wir nicht! Ihr schadet euch nur selbst!

Das sind Nebelkerzen. Sanktionen wirken durchaus. Und das nicht bloß, indem sie unmittelbar Verantwortliche treffen. Sie sind das stärkste Mittel der Diplomatie, wenn alle Gesprächsversuche nicht weiterführen.

Beim jahrelangen Ringen mit dem Iran konnte man das beobachten: Als die Sanktionierung und die Isolation des Landes die Schmerzgrenze erreichten, wählten die Iraner einen gesprächsbereiten Präsidenten. Nie hat der Westen – eingeschlossen Russland und China – mit dem Iran so fruchtbar verhandelt wie heute, nach einer Runde härtester Wirtschaftssanktionen.

Sanktionen sind eine Form der politischen Kommunikation. Sie funktionieren ähnlich wie ein Rating. Nach außen signalisieren sie: Achtung, dieses Land wird von unverantwortlichen Leuten regiert, Investments sind hochriskant, Kredite auch. Nach innen: Die Konten, von denen ihr die europäischen Privatschulen eurer Kinder bezahlt und die Shoppingtouren eurer Frauen, sind nicht sicher. Schon die glaubhafte Ankündigung von Sanktionen zeigt Wirkung: In der Woche vor dem Krimreferendum haben die zehn reichsten russischen Milliardäre mehr als sechs Milliarden Dollar an den Börsen verloren.

Putin hat etwas Erstaunliches geschafft: Er hat den Westen in der Sanktionsfrage vereint, inklusive der zögerlichen Deutschen. Die deutsche Regierung war lange dagegen. Sie hat immer wieder auf Dialog gesetzt und neue Vermittler vorgeschlagen, und niemand hat so häufig mit Putin telefoniert wie Merkel. Das war richtig.

Auch weil die Deutschen so zögerlich mit diesem Mittel sind, bekommen Zwangsmaßnahmen nun eine andere Wucht. So paradox es klingen mag: Wer keine Eskalation will, muss die Sanktionen verschärfen.

EWH (Sanktionen gegen Russland)