Thema: „Altes Wahlsystem schwächt, neues stärkt!“? – das deutsche Wahlrecht in der Diskussion

Aufgabenart: Beschreibung – Analyse – Diskussion

Aufgabenstellung:

Aufgabe 1: Beschreibe das deutsche (Bundestags-)Wahlrecht hinsichtlich der Erst- und Zweitstimme. (15 Punkte)

Aufgabe 2: Analysiere den Text hinsichtlich der Position des Autors zum deutschen Wahlrecht. (Tipp: Einleitungssatz, Thema, Position, Argumentationsgang, Intention, kurzes Fazit) (26 Punkte)

Aufgabe 3: „Neues Wahlsystem soll Demokratie stärken“ (Z. 1) – Diskutiere die Idee einer Reform des deutschen Wahlrechts unter Beachtung der Erträge aus den vorangegangenen Aufgaben und den im Unterricht behandelten Inhalten anhand von 2 ausgeführten Pro- und 2 ausgeführten Contra-Argumenten. (22 Punkte)

Textgrundlage:

Benken, Björn: Neues Wahlsystem soll Demokratie stärken. Auf der Homepage Wahlreform.de, veröffentlicht 12/2002 (online unter: http://www.wahlreform.de/presse.htm, zuletzt aufgerufen am 13.11.2012) [gekürzt]

Dr. Björn Benken ist Ökonom und engagiert sich im politischen Bereich des Wahlrechts. Er ist Betreiber der Homepage Wahlreform.de und hat bereits eine Verfassungsbeschwerde (2000) und einen Wahleinspruch (2002) gegen das momentane deutsche Wahlrecht eingelegt.

 

Text:

Neues Wahlsystem soll Demokratie stärken

Die im Grundgesetz enthaltenen Versprechungen einer freien und gleichen Wahl werden in der wahlrechtlichen Praxis nur unvollkommen eingelöst […].

Bekanntlich fallen nach dem gültigen Wahlrecht Stimmen für Parteien, die nicht die
5%-Hürde überspringen, bei der Sitzverteilung unter den Tisch. Damit haben die abgegebenen Stimmen jedoch nicht mehr den gleichen Erfolgswert, und eine Gleichheit der Wahl ist nicht mehr gegeben. Auch die Freiheit der Wahl ist eingeschränkt, wenn Wähler berücksichtigen müssen, daß ihre Stimme für eine kleine Partei voraussichtlich eine “verlorene” Stimme ist. […]

[Es besteht allerdings die Möglichkeit], […] die Freiheit und Gleichheit der Wahl wiederher[zu]stellen […], ohne die 5%-Hürde mit ihrer systemstabilisierenden Funktion im geringsten zu verändern. Das […] System ist von verblüffender Einfachheit. Wähler sollen zukünftig auf ihrem Stimmzettel verfügen können, daß in jenem Fall, wo ihre Lieblingspartei nicht die 5%-Hürde überspringt, ihre Stimme an eine andere Partei übertragen wird. An welche Partei die Stimme weitergegeben wird, bestimmt der Wähler, indem er bei der Zweitstimme nicht wie bisher ein Kreuz macht, sondern die Parteien in der Reihenfolge seiner Präferenz durchnumeriert. Würde er zum Beispiel bei F.D.P. eine ‘1’ und bei CDU eine ‘2’ eintragen, so würde für den Fall, daß die F.D.P. nur einen Stimmenanteil von weniger als fünf Prozent erhalten würde, diese Stimme automatisch der CDU zufallen.

Ein solches System hätte viele Vorzüge. Der Wähler müßte seine Entscheidung nicht mehr danach ausrichten, ob die von ihm favorisierte kleine Partei den Einzug in den Bundestag wohl schaffen wird. Denn falls sie weniger als 5% erhält, wird die Wählerstimme nunmehr weitergereicht, sie geht nicht mehr verloren. Taktische Wahlüberlegungen und Leihstimmen-Kampagnen würden der Vergangenheit angehören. Die Wahlergebnisse würden endlich den wahren Wählerwillen widerspiegeln. Und es würde offenkundig werden, welche Koalitionen die Wähler bevorzugen. Selbst Nichtwähler, die bisher resigniert zu Hause geblieben sind, weil sie ihrer Lieblingspartei keine Chancen eingeräumt haben, könnten möglicherweise wieder zur Wahlteilnahme bewegt werden.

Der Vorschlag [zielt] […] nicht […] darauf ab, das bisherige Machtgleichgewicht zwischen großen und kleinen Parteien zu verschieben. […] Wichtig [ist] allein, daß den kleinen Parteien und ihren Wählern endlich dieselben Ausgangschancen auf Beteiligung an der politischen Macht zugestanden werden wie den großen Parteien. Nur so hätten sie die Möglichkeit, aus dem Teufelskreis von Unbekanntheit, Resignation und enttäuschenden Wahlergebnissen herauszukommen.

Das bisherige Wahlsystem behindert neue politische Strömungen weit über das notwendige Maß hinaus. Von der anvisierten Änderung des Wahlrechts […] [kann] sich […] eine gesteigerte parteipolitische Konkurrenz [erhofft werden], die zu einer flexibleren und lebendigeren Demokratie führt.