Thema 

Akzeptable Schulden? Langfristige Wege der Konjunkturpolitik

 

Aufgaben  

  1. Analysieren Sie den vorliegenden Artikel hinsichtlich der Ansicht des Autors zu Staatsschulden.
  2. Erörtern Sie Konjunkturprogramme – gestützt durch ein frei gewähltes Beispiel – als Maßnahme zur langfristigen Stabilisierung der Wirtschaft.

 

Materialgrundlage

Dennis J. Snower: Schulden sind nur für Bildung gerechtfertigt. In: Handelsblatt vom 27.03.2012

Der Autor ist Präsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel und Professor für theoretische Volkswirtschaftslehre an der Christian-Albrechts-Universität Kiel.

Schulden sind nur für Bildung gerechtfertigt

Warum sollte die europäische Schuldenkrise uns zu einer grundlegenden Reform der Bildungssysteme in Deutschland und anderen europäischen Ländern bewegen? Ganz einfach. Staatsschulden und Bildung sollten miteinander verbunden sein. Dafür gibt es zwei Gründe: Generationengerechtigkeit und fiskalpolitische

Verantwortung.

Zuerst zur Generationengerechtigkeit: Die immer neuen milliardenschweren Rettungspakete, die die Politik seit Beginn der Finanzkrise 2008 auf den Weg gebracht hat, werden über zusätzliche Staatsschulden finanziert. Diese Schulden müssen in der Zukunft bedient werden. Zahlen müssen also Menschen, die heute vielleicht noch nicht Wähler sind: unsere Kinder und Enkel.

Ist dies gerecht? Die Handlungsfähigkeit künftiger Generationen wird durch den Schuldenberg, den wir ihnen hinterlassen, massiv eingeschränkt. Sie werden gezwungen, Geld für Zins und Tilgung bereitzustellen […]. Wie können wir für Gerechtigkeit zwischen unserer Generation und der nächsten sorgen? Indem wir die nächste Generation für den Schuldenberg entschädigen. Dies geschieht, wenn wir gewährleisten, dass das geborgte Geld zukünftig zu Renditen

führt.

Für eine Wirtschaft ist eine der potenziell ertragreichsten Möglichkeiten die Bildung. In einer Schule, die heute gebaut wird, lernen die Kinder von morgen. In einer Universität, Ausbildungs- oder Forschungseinrichtung, die heute unterstützt wird, entstehen die Fähigkeiten unserer zukünftigen Arbeitskräfte. Durch diese Fähigkeiten generiert die nächste Generation das zusätzliche Einkommen, mit dem unsere Schulden zurückgezahlt werden können.

Bildung dient auch der fiskalpolitischen Verantwortung. Es gibt zwei Arten von Staatsschulden: temporäre und dauerhafte. Temporäre Schulden sind diejenigen, die Investitionen finanzieren. Wenn die Investitionen genügend profitabel sind, dann können die dadurch verursachten Schulden zurückgezahlt werden. Solche Schulden sind unbedenklich. Dauerhafte Schulden, im Gegensatz, finanzieren sich nie. Sie entstehen, wenn wir Geld borgen, um jetzigen Konsum zu finanzieren. Sobald wir konsumiert haben, ist das Geld weg. […]

Die Bildungssysteme in den Industrieländern – inklusive des deutschen – gehören umfassend reformiert. Solche Reformen würden das Wachstumspotenzial der Bildung erhöhen. Trotz solcher Reformen wird die Rendite der Bildungsinvestitionen jedoch immer extrem unsicher bleiben. Aus diesem Grund ist es wichtig, die gesamten Staatsschulden langfristig zu begrenzen. […]

Die Fiskalregel muss die langfristig vom Stabilitäts- und Wachstumspakt vorgegebene Schuldenquote von maximal 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts festschreiben. Außerdem muss sie vorgeben, wie antizyklisch die Finanzpolitik sein darf, um eine Stimulierung der Wirtschaft in Rezessionszeiten zu ermöglichen. Die deutsche Schuldenbremse

entspricht diesen Kriterien nicht, da sie der Fiskalpolitik ungenügenden Spielraum gibt, in Rezessionszeiten die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Andererseits stellt die Schuldenbremse nicht hinreichend sicher, dass die Schulden in guten Zeiten wieder zurückgezahlt werden.

Unsere Politiker sollten zwei wichtige Lehren aus der Euro-Schuldenkrise ziehen. Erstens muss eine glaubwürdige Fiskalregel gewährleisten, dass die Schuldenquote langfristig nicht explodiert.

Und zweitens sollten Schulden besonders Investitionen in zukünftiges Wachstum finanzieren. Ein reformiertes Bildungssystem ist ein wichtiger Baustein dieser Strategie.

 

Kriterien für die Bewertung von Schülerleistungen (1. Prüfungsteil)

Aufgabe I

Der Prüfling

  • ordnet den Text, der im März 2012 im Handelsblatt erschienen ist, als Diskussionsbeitrag des Wirtschaftswissenschaftlers Snower zur Fiskalpolitik in der Europäischen Union ein.
  • analysiert die Positiondes Autors, z.B.:
    • Schulden seien lediglich für zukunftsgerechte Ausgaben legitim. So sei das deficit spending für Bildung akzeptabel.
    • Daher bedürfe es einer Regelung, welche die Schulden in den Staaten entsprechend begrenzt (Fiskalregel).
  • analysiert den Begründungszusammenhangzur Position in folgender oder gleichwertiger Weise:
    • These: „Staatsschulden und Bildung sollten miteinander verbunden sein.“ wird mit zwei Hauptaspekten begündet: Generationengerechtigkeit und Budgetverantwortung.
    • Autor begründet im Wesentlichen die beiden Argumentationsaspekte
      • Generationengerechtigkeit (5-21) und fiskalpolitische Verantwortung (22-42) werden miteinander verknüpft: Rekurs auf das i.A. neoliberale Argument der erhöhten Schuldenlast (höherer Schuldendienst bedingt geringere finanzpolitische Flexibilität in Zukunft), Einschränkung durch Retabilitätsabgleich (Schulden, die zu höherer Rendite führen (temporäre statt permanente Schulden) seien gute Schulden), welche durch Bildungsinvestitionen in Humankapital gegeben seien. Notwendigkeit von Bildungsinverstitionen.
    • Autor fordert schlussfolgernd, eine striktere Fiskalregelung (60% BIP + einschränkende Regelungen zur antizyklischen Budgetpolitik). Kritik an bestehender Schuldenbremse.
  • analysiert die Argumentationsweise, z.B.:
    • Weitestgehend bleiben Argumente empirisch unbegründet: z.B. Erhöhung des Wachstumspotenzials durch Bildungsinvestitionen.
    • Insgesamt appellativer Charakter durch eine Vielzahl von Forderungen
  • erschließt die Intentiondes Autors, z.B.:
    • Forderung: Reform deutscher Budgetpolitik durch Einschränkung keynesianischer Elemente.
    • Werben für die Bedeutung von Bildungsinvestitionen i.S. der Zukunftsfähigkeit

 

Aufgabe II

Der Prüfling

  • erörtert einen sozialpolitischen Ansatz – z.B. Umweltprämie –,…
    • indem er sich mit befürwortendenArgumenten auseinandersetzt, z.B.:
      • Die Umweltprämie schafft es, die Nachfrage nach Automobilen zu erhöhen, um so konjunktureller AL vorzubeugen.
      • Stabilität dieser für D wichtigen Branche wirkt sich auch in den Folgeperioden auf andere Konsummittelbranchen stabilisierend aus (Multiplikatoreffekt).
    • indem er sich mit ablehnendenArgumenten auseinandersetzt, z.B.:
      • Umweltprämie ist ungerecht im Hinblick auf die Förderung einer einzelnen Branche.
      • Multiplikatoreffekt ist nicht nachgewiesen.
  • nimmt in einem konsistenten Argumentationsgang abschließend Stellung zur gewählten konjunkturpolitischen Maßnahme.

 

 

Für eine ausreichende Leistung wird erwartet:

Der Prüfling analysiert den Text in seinen Grundzügen, indem er in Ansätzen die Intention und die Argumentationsstruktur des Textes herausarbeitet (i.d.R. einen Aspekt). Der Prüfling entwickelt auf der Grundlage von allgemeinen Fachkenntnissen ein vorläufiges Urteil, das mit je einem Pro- und Kontra-Argument begründet wird.

 

Für eine gute Leistung wird erwartet:

Der Prüfling nimmt eine zutreffende, den methodischen Aspekten entsprechende Textanalyse vor, in der i.E. die Position, die Argumentationsstruktur und die Intention des Textes strukturiert herausgearbeitet und am Text belegt werden. Der Prüfling entwickelt auf der Grundlage von Fachkenntnissen ein eigenständiges Urteil, das mit je zwei gewichteten Pro- und Kontra-Argumenten begründet wird.

 

Mögliche Impulse im Prüfungsgespräch (2. Prüfungsteil)

 

Schwerpunkte: Sozialstruktur, Friedenspolitik

  • Der Autor spricht in seinem Text die Bedeutung von Bildung als Wirtschaftsfaktor an. Nun stellt ja Bildung auch einen bedeutenden Faktor für die Sozialstruktur dar. Ist unsere Gesellschaft im Hinblick auf Bildung strukturiert?
    • Dann stellen Sie doch bitte ein entsprechendes Sozialstrukturmodell vor. (Grundstruktur, Unterscheidungsparameter, Gruppen, ideologischer Gehalt)
    • Es gibt Autoren die inzwischen wieder von einer Klassengesellschaft in Deutschland sprechen. Analysieren Sie doch bitte, was genau damit gemeint sein könnte. (Klassenbegriff von bspw. Marx kann modernisiert werden: Ehemalige Besitzklassen sind heute ökonomische „Elite“, welche z.B. über größere Ressourcen verfügen, den nachfolgenden Generationen einen Chancenvorsprung zu verschaffen, über den Filter „Bildung“ ergibt sich scheinmeritokratisches soziales Gefüge, insofern ergeben sich in D zunehmend zwei größere soziale Gruppen, die voneinander abhängig sind (Arbeitgeber, Nehmer), welche über Generationen hinweg persistieren)
  • Nun ist die deutsche Gesellschaft homogener als andere und hierzulande sind die sozialen Ungleichheiten kleiner als in Entwicklungsländern. Nehmen wir beispielsweise die arabischen Staaten. Dort haben die sozialen und politischen Ungleichheiten zu gewaltsamen Auseinandersetzungen geführt. Stellen Sie doch bitte kurz die Situation in einem entsprechenden Staat dar!
    • Was meinen Sie. Was könnte man tun, um die Situation in Syrien/Afghanistan zu verbessern?
    • Können Sie einen allgemeinen Erklärungsansatz für positiven Frieden kurz vorstellen?
    • Der Emir von Katar hat vor zwei Monaten vorgeschlagen, dass die Arabische Liga (arabische Halbinsel und Nordafrika) in Syrien ein Mandat zur Schaffung von Frieden erhalten solle. Wie stehen Sie dazu?
    • Also sollte man die Vereinten Nationen ganz raushalten?

Für eine ausreichende Leistung wird erwartet:

Der Prüfling begründet seine persönlichen Ansichten und Urteile auf Basis einer ansatzweise differenzierten und theoretisch/empirisch fundierten Argumentation. Er analysiert teilweise zutreffend und differenziert. Insgesamt weist der Prüfling wesentliche Aspekte im Hinblick auf methodische Fähigkeiten, Sachkenntnisse und der Fähigkeit zur Urteilsbildung in Grundzügen nach.

 

Für eine gute Leistung wird erwartet:

Der Prüfling begründet seine persönlichen Ansichten und Urteile auf Basis einer differenzierten und theoretisch/empirisch fundierten Argumentation. Er analysiert zutreffend und differenziert. Insgesamt weist der Prüfling wesentliche Aspekte im Hinblick auf methodische Fähigkeiten, Sachkenntnisse und der Fähigkeit zur Urteilsbildung vollständig nach.