Thema
Keine Hoffnung in Syrien? Möglichkeiten zur Abwendung humanitärer Katastrophen
Aufgaben
- Analysieren Sie den vorliegenden Artikel hinsichtlich der Ansicht der Autorin zur Abwendung humanitärer Katastrophen in Syrien.
- Erörtern Sie unter Bezugnahme auf die Autorin militärische Interventionen (Z. 33) als Mittel zur Befriedung.
Materialgrundlage
Samar Yazbak: Es braucht neue Schritte. In: Handelsblatt vom 21.3.2012
Die Autorin ist in Syrien geboren und hat sich an der Revolution im eigenen Land beteiligt. Seit ihrer Flucht lebt sie als Journalistin in Paris.
Es braucht neue Schritte
Vielleicht deuten die vermehrten Massaker des Assad-Regimes auf die Angst des Diktators vor einem Sturz hin. Zumal sich durch den wirtschaftlichen Zerfall einige Geschäftsleute sich von ihm abgewendet haben und ins Ausland geflohen sind. Der Zusammenhalt des Regimes wird außerdem durch eine ganze Reihe von Faktoren bedroht, unter anderem durch den Verlust der Herrschaft über die aufständischen Städte. Der Prozess des Zusammenbruchs sollte jedoch nicht nur durch die Wirtschaftssanktionen befördert werden, die gegen das Regime verhängt wurden.
Durch diese Sanktionen wird zwar der Druck auf das Regime erhöht, insbesondere nachdem der Wert der syrischen Lira
gesunken ist, die ausländischen Devisenreserven aufgebraucht sind und keine Beträge mehr in Dollar gewechselt werden können. Doch all dieser Druck hat, gemessen an der zunehmenden Brutalität, vermutlich nicht den gewünschten Effekt, bezahlt den Preis dafür doch das syrische Volk.
Die Preise für Nahrungsmittel sind um das Dreifache gestiegen, der Staat vergibt keine Kredite mehr, und unter der Bevölkerung macht sich Angst breit, es könnten schon bald keine Gehälter mehr ausbezahlt werden. Das Regime wälzt also die wirtschaftliche Notlage auf die von der Katastrophe betroffene Bevölkerung ab, die zudem noch eingeschüchtert, belagert und ermordet wird. […]
Wenn die Welt dem syrischen Volk ernsthaft helfen will, dann scheint es dringend geraten, durch vereinte Bemühungen so rasch wie möglich Korridore für die humanitäre Hilfe einzurichten, um den täglich von Massakern bedrohten Menschen Hilfsleistungen zukommen zu lassen. Die Institutionalisierung der Hilfe erfordert die Schaffung neuer, eigens für das syrische Volk gegründeter Organisationen, da die Anzahl der Flüchtlinge, die sich auf Libanon, Jordanien, die Türkei und weitere Exilländer verteilen, von Tag zu Tag steigt. Tausende Familien haben infolge der Bombardierung von Homs, Idlib und Hama
ihre Behausungen verloren. Tausende Verletzte sind ohne jegliche medizinische Versorgung, weil die Kliniken zu Folterzentren umgewandelt wurden und Verletzte in den Krankenhäusern ermordet werden. […]
Es ist höchste Zeit zu handeln, um die von der Katastrophe betroffenen Menschen zu retten, denn immer wieder kommt es zu weiteren Massakern. Es muss dringend eine Entscheidung zugunsten der Einrichtung humanitärer Korridore gefällt und durch eine Flugverbotszone abgesichert werden.
Die Aufrufe für eine militärische Intervention hingegen sind nicht realistisch, weil sie auf keine internationale Zustimmung stoßen. Zudem ist Syrien aus mehreren Gründen schwerlich mit Libyen zu vergleichen. Der wichtigste Grund ist sicher die sensible geo-strategische Lage des Landes inmitten einer spannungsgeladenen Region zwischen Israel, Libanon und Irak. Ein Militärschlag gegen Syrien würde einen Flächenbrand auslösen, zumal Iran militärisch mit Syrien verbündet ist. Nach den Erfahrungen in Irak und Afghanistan liegt es darüber hinaus nicht im Interesse der USA, jetzt in einen weiteren Krieg einzutreten. […]
Es ist also dringend notwendig, den wirtschaftlichen Druck so rasch wie möglich weiter zu erhöhen und humanitäre Hilfsmaßnahmen einzuleiten, selbst wenn man dafür die Errichtung einer Flugverbotszone in Erwägung ziehen müsste. Aber es ist die letzte verbliebene Möglichkeit der internationalen Gemeinschaft, aktiv zu werden, denn jede weitere Verzögerung würde bedeuten, angesichts des Mordens und der Verbrechen zu schweigen, und dies käme einer Beteiligung an diesen Verbrechen gleich.
Kriterien für die Bewertung von Schülerleistungen (1. Prüfungsteil)
Aufgabe I
Der Prüfling
- ordnet den Text, der im März 2012 im Handelsblatt erschienen ist, als Diskussionsbeitrag der Journalistin und Syrierin Yazbak zur internationalen Hilfe in Syrien ein.
- analysiert die Positionder Autorin, z.B.:
- Syrien benötige humanitäre Hilfe für die Betroffenen des Konflikts – mehr als größerer internationaler Druck und Sanktionen seitens der internationalen Gemeinschaft.
- Als ultima ratio sieht sie die Errichtung einer Flugverbotszone.
- analysiert den Begründungszusammenhangzur Position in folgender oder gleichwertiger Weise:
- Ausgangslage: Zunehmende Gewalt des Assad-Regimes deute auf Machtverlust-ängste hin.
- Wirkungen der internationalen Sanktionen: Der erhöhte Druck gegen das Regime führt dazu, dass Assad diesen Druck an notleidende Bevölkerung durch Gewalt weitergibt und zudem treffen die wirtschaftlichen Sanktionen ebenso die machtlosen Bevölkerungsschichten. So entwickelten sich zunehmend humanitär katastrophale Zustände.
- Alternativ schlägt die Autorin vor, humaniäre Hilfe zu intensivieren (ggf. eigene Organisationen zu gründen, „regional governance“-Ansatz)
- Ausschluss einer humanitären Intervention aufgrund von internationalen Verflechtungen und fehlender Zielgenauigkeit (Effizienz) und mangelndem Interesse in der Region (Macht)
- analysiert die Argumentationsweise, z.B.:
- Insgesamt appellativer Charakter durch drastische Darstellungen und entsprechenden gramm. Konstruktionen
- Fundierte Wirkung, weil Argumente begründet werden und authentisch (Syrerin) vorgetragen werden.
- erschließt die Intentiondes Autors, z.B.:
- Forderung: Humanitäre Hilfe institutionalisieren.
- Werben für alternative Methoden, um den Betroffenen des Konflikts Leid zu ersparen.
Aufgabe II
Der Prüfling
- erörtert militärische Interventionen als Maßnahme zur Befriedung,…
- indem er sich mit befürwortendenArgumenten auseinandersetzt, z.B.:
- Legitimität: Humanitäre Katastrophen, wie sie wahrscheinlich in Syrien vorliegen, erzwingen ein Eingreifen vor dem Hintergrund des Völkergewohnheitsrechts. Das Souveränitätsrecht ist insbesondere aufgrund systematischer Menschenrechtsverletzungen nicht mehr bei Assads Regime. Es handelt sich um einen Failed State.
- Ein Nichteingreifen erscheint vor dem Hintergrund der Gründe für illegitim. So muss vor dem Grundsatz der Gleichbehandlung auch in Syrien interveniert werden.
- indem er sich mit ablehnendenArgumenten auseinandersetzt, z.B.:
- Legitimität: Eine Intervention greift in das Souveränitätsrecht der Staaten ein. Assads Regime führt keinen internationalen Krieg, sondern reklamiert für sich im domaine reservee agieren zu dürfen.
- Effizienz: Es stellt sich das Problem, dass es keine klaren Fronten in Syrien gibt, sodass der Eingriff deutlich erschwert wird. Hierbei sind dann auch eine hohe Zahl von Zivilisten bedroht.
- indem er sich mit befürwortendenArgumenten auseinandersetzt, z.B.:
- nimmt in einem konsistenten Argumentationsgang abschließend Stellung zur Sinnhaftigkeit/Legitimität hum. Interventionen.
Für eine ausreichende Leistung wird erwartet:
Der Prüfling analysiert den Text in seinen Grundzügen, indem er in Ansätzen die Intention und die Argumentationsstruktur des Textes herausarbeitet (i.d.R. einen Aspekt). Der Prüfling entwickelt auf der Grundlage von allgemeinen Fachkenntnissen ein vorläufiges Urteil, das mit je einem Pro- und Kontra-Argument begründet wird.
Für eine gute Leistung wird erwartet:
Der Prüfling nimmt eine zutreffende, den methodischen Aspekten entsprechende Textanalyse vor, in der i.E. die Position, die Argumentationsstruktur und die Intention des Textes strukturiert herausgearbeitet und am Text belegt werden. Der Prüfling entwickelt auf der Grundlage von Fachkenntnissen ein eigenständiges Urteil, das mit je zwei gewichteten Pro- und Kontra-Argumenten begründet wird.
Mögliche Impulse im Prüfungsgespräch (2. Prüfungsteil)
Schwerpunkte: Friedenskonzepte, Sozialpolitik
- Nun ist die Situation in Syrien, wie wir gesehen haben äußerst drastisch. Es gibt Friedensforscher, die sich damit befasst haben, zu untersuchen, woran der innere Frieden in einem Staat hängt. Stellen Sie doch bitte ein entsprechendes Modell vor. (Senghaas)
- Ein wichtiger Aspekt ist also die soziale Gerechtigkeit. Schauen wir uns den laufenden NRW-Wahlkampf an, so bemängeln einzelne Parteien die Situationen der sozialen Gerechtigkeit in Deutschland bzw. NRW. Analysieren Sie bitte einmal kurz die Gründe, die hinter dieser Ansicht stehen.
- Wie sehen Sie die Situation der sozialen Gerechtigkeit in Deutschland?
- Der Staat hat wohl auch die Aufgabe für soziale Gerechtigkeit zu sorgen. Welche sozialpolitische Änderung würden Sie auf den Weg bringen?
- Es wird ja beispielsweise das Bürgergeld/Grundeinkommen diskutiert. Welche Position haben Sie dazu?
- Andererseits wird ja auch diskutiert, Mindestlöhne branchenweit auf den Weg zu bringen. Stellen Sie doch einmal bitte mögliche Wirkungen dar.
- Andererseits entspricht das doch nicht dem Prinzip der Leistungsgerechtigkeit. Wer mehr arbeitet, soll doch auch davon etwas haben…
Für eine ausreichende Leistung wird erwartet:
Der Prüfling begründet seine persönlichen Ansichten und Urteile auf Basis einer ansatzweise differenzierten und theoretisch/empirisch fundierten Argumentation. Er analysiert teilweise zutreffend und differenziert. Insgesamt weist der Prüfling wesentliche Aspekte im Hinblick auf methodische Fähigkeiten, Sachkenntnisse und der Fähigkeit zur Urteilsbildung in Grundzügen nach.
Für eine gute Leistung wird erwartet:
Der Prüfling begründet seine persönlichen Ansichten und Urteile auf Basis einer differenzierten und theoretisch/empirisch fundierten Argumentation. Er analysiert zutreffend und differenziert. Insgesamt weist der Prüfling wesentliche Aspekte im Hinblick auf methodische Fähigkeiten, Sachkenntnisse und der Fähigkeit zur Urteilsbildung vollständig nach.