Aufgabenart:
Analyse – Darstellung – Erörtern
Thema:
Die Europäische Zentralbank als Lieferant für „gutes Geld“?
Aufgabenstellung:
Analysiere den vorliegenden Text hinsichtlich der von den Autoren geäußerten Reformvorschläge.
Stelle die wichtigsten geldpolitischen Instrumente der Europäische Zentralbank (EZB) ausführlich dar.
Setze dich kritisch mit den Vorschlägen der Autoren auseinander, indem du die Maßnahmen und mögliche Folgen erörterst.
Textgrundlage:
Thorsten Polleit, Michael von Prollius, Frank Schäffler und Norbert F. Tofall: Überwindung der Krise durch gutes Geld. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 05.06.2009 (gekürzt)
Die Autoren: Thorsten Polleit ist Chefvolkswirt von Barclays Capital Deutschland sowie Honorarprofessor an der Frankfurt School of Finance und Mitglied der Hayek-Gesellschaft.
Michael von Prollius ist wirtschaftspolitischer Referent in Berlin, Publizist, Gründer des Forums Ordnungspolitik und Mitglied der Hayek-Gesellschaft.
Frank Schäffler sitzt für die FDP im Deutschen Bundestag und ist Mitglied im Finanzausschuss.
Norbert F. Tofall ist Lehrbeauftragter im Master-Studiengang “Internationales Management” der Viadrina Frankfurt (Oder) und der EHU International (Vilnius), außerdem Wissenschaftlicher Mitarbeiter von Schäffler und Mitglied der Hayek-Gesellschaft.
Die Autoren eint der Wunsch, wirtschaftliche und gesellschaftliche Freiheit zu fördern. Sie finden sich in unregelmäßiger Folge mit weiteren Mitstreitern zum Gedankenaustausch zusammen, zu einem liberalen Privatseminar in der Tradition von Ludwig von Mises und Friedrich August von Hayek. Dieser Beitrag ist das Ergebnis des Treffens im Januar.
Das 14. Jahrhundert war von Finanzkrisen geprägt und ist als das Zeitalter der Falschmünzerkönige bekanntgeworden. Europäische Herrscher und Könige erhöhten zum Zwecke der Ausweitung ihrer Haushalte die Anzahl der Geldmünzen, indem sie den Edelmetallgehalt pro Münze senkten, ohne dieses auf der Prägung anzuzeigen. Die Geldmenge wurde so ausgeweitet. Schlechteres Geld war die Folge. Gleichzeitig missbrauchten die Herrscher und Könige ihr Geldprägemonopol, ihre Autorität und ihre Macht, um sicherzustellen, dass dieses schlechte Geld als Zahlungsmittel akzeptiert werden musste.
Da Geld jedoch ein Mittel ist, um Güter und Dienstleistungen leichter austauschen zu können, verursacht eine Verschlechterung des Geldes eine Verschlechterung des Austauschs von Gütern und Dienstleistungen. Falschmünzerei senkt den gesellschaftlichen Wohlstand. (…) Das heißt, Falschmünzerei zerstört das Preissystem einer Volkswirtschaft, an dem sich die Wirtschaftssubjekte orientieren. Denn Preise werden in Geldeinheiten notiert. Das geschwundene Vertrauen in das Tauschmittel Geld und die Zerstörung des gesellschaftlichen Preissystems durch schlechtes Geld führen zu einem Rückgang der wirtschaftlichen Kooperation, zu einem Rückgang der individuellen Tauschhandlungen, so dass der gesamtgesellschaftliche Wohlstand sinkt. Überwinden lässt sich diese Vertrauenskrise nur durch gutes Geld.
Auch die erste Finanzkrise des 21. Jahrhunderts ist durch schlechtes Geld verursacht worden. Die Methoden der heutigen Falschmünzerei sind jedoch um ein Vielfaches ausgefeilter als im 14. Jahrhundert. Die europäischen Herrscher mussten sich damals mit der Änderung des Edelmetallgehalts ihrer Münzen begnügen, so dass die Geldmenge zumindest gewissen Beschränkungen unterlag. Im heutigen System des staatlichen Papiergeldmonopols kann die Zentralbank das Geld- und Kreditangebot beliebig ausweiten. (…)
Zudem führt das vom Staat an die Geschäftsbanken verliehene Teilreserveprivileg dazu, dass auch Geschäftsbanken Falschmünzerei in Form von Geld- und Kreditschöpfung betreiben dürfen und zum Zwecke der vom Staat gewollten Förderung von Konjunktur und Wachstum auch betreiben sollen. (…)
Investitionen, die durch Kredite finanziert werden, die nicht aus Erspartem bestehen, sondern aus Geldschöpfung, also aus schlechtem Geld, blähen die Wirtschaft künstlich auf, was auch als “Bubble Economy” (Blasen-Wirtschaft) bezeichnet wird. Angeheizt wird diese Entwicklung durch die Niedrigzinspolitik der Zentralbanken. Ein Zinssatz, der Sparen und Investieren zur Übereinstimmung bringt, den Geldwert stabil hält und die Volkswirtschaft auf einem Gleichgewichtspfad hält, ist der natürliche Zins. Steigt der Geldzins über den natürlichen Zins, übersteigt das Sparen die Investitionen, und die Wirtschaftsaktivität geht auf breiter Front bei einem sinkenden Preisniveau zurück. Liegt der Geldzins, also der Zins für Kredite, unter dem natürlichen Zins, dann übersteigt die Investitionstätigkeit die Spartätigkeit, die gesamtwirtschaftliche Nachfrage steigt über die Produktionskapazität, und die Volkswirtschaft wird von ihrem Gleichgewichtspfad gedrückt.
Zu niedrige relative Preise für Kredite führen deshalb zu einem falschen Produktionsaufbau, zu Investitionsblasen. Denn die künstlich niedrigen Zinsen führen dazu, dass auch Investitionen rentabel erscheinen, die sich unter dem natürlichen Zins nicht rentieren. Durch künstlich niedrige Zinsen wird den Entscheidungsträgern in den Unternehmen bei ihren Investitionsentscheidungen das Vorhandensein von Ressourcen vorgespiegelt, die in Wahrheit gar nicht existieren; denn das aus dem Nichts geschöpfte Geld ist ja nicht durch reale Ersparnisse gedeckt. Kurzfristig können durch diese Zinspolitik der Zentralbanken zwar durchaus befristet Arbeitsplätze geschaffen oder erhalten werden. Mittel- und langfristig wird sich jedoch herausstellen, dass die scheinbar rentablen Investitionen aufgrund der real nicht ausreichend vorhandenen Ressourcen unrentabel sind. (…)
Wenn man bedenkt, dass die heutige Finanz- und Wirtschaftskrise ebenfalls durch eine derartige Kreditexpansionspolitik (..) entstanden ist, dann wundert man sich, dass die (…) G-20-Staaten zur Überwindung der derzeitigen Krise abermals eine derartige Kreditexpansionspolitik betreiben, die über künstlich niedrige Zinsen angefeuert wird. Man will eine Krise, die durch schlechtes Geld erzeugt worden ist, durch noch schlechteres Geld überwinden, obwohl man die Folgen des schlechten Geldes zurzeit überall beobachten kann. Die Auftragseinbrüche und der Rückgang der Investitionen sind die Folge der Zerstörung des weltweiten Preissystems durch schlechtes Geld.
Bundespräsident Horst Köhler und Bundeskanzlerin Angela Merkel ist deshalb in einem, entscheidenden, Punkt zuzustimmen: Wir haben es mit einer Vertrauenskrise zu tun. Das geschwundene Vertrauen in das Tauschmittel Geld und die Zerstörung des globalen Preissystems durch schlechtes Geld führen zu einem Rückgang der wirtschaftlichen Kooperation, zu einem Rückgang der individuellen Tauschhandlungen, so dass weltweit der gesellschaftliche Wohlstand sinkt. Und es verwundert nicht, dass gerade im Interbankenhandel das größte Misstrauen herrscht. Die Geschäftsbanken wissen, dass man dem durch Geld- und Kreditschöpfung erzeugten schlechten Geld nicht trauen kann und dass das, was die Kollegen anbieten, genauso heiße Luft ist wie die eigenen Kredite. Überwinden lässt sich diese Vertrauenskrise deshalb nur durch gutes Geld.
(…) Eine derartige Geldordnung ist jedoch nur realisierbar, wenn sowohl den Zentralbanken als auch den Geschäftsbanken die Möglichkeit genommen wird, Geld- und Kreditschöpfung zu betreiben und dadurch gutes Geld zu verschlechtern. In früheren Zeiten wurde das weitgehend durch den Goldstandard gewährleistet. (…)
Das Reformkonzept für gutes Geld lautet “Free Banking”, die Privatisierung des Geldes. Angestrebt wird die Umwandlung von ankerlosem, ungedecktem Papiergeld, das durch das staatliche Geldmonopol mittels Zwang verbreitet wird und das durch Geld- und Kreditschöpfung ständig manipuliert werden kann, in freies Marktgeld. Freies Marktgeld oder konkurrierende Privatwährungen, wie Hayek dieses Geld nennt, wird von den Wirtschaftssubjekten nur dann nachgefragt, wenn es gutes Geld ist. Niemand hält freiwillig schlechtes Geld, wenn er auf dem Markt gutes Geld bekommen kann. Das Ziel dieses Reformkonzepts ist es deshalb, die vorhandenen monetären und finanziellen Institutionen durch Wettbewerb zur Produktion von gutem Geld zu veranlassen sowie den Zentralbanken und den Geschäftsbanken die Möglichkeit zur Geld- und Kreditschöpfung zu nehmen. (…)
In einem Free-Banking-System könnten die Geschäftsbanken wie bisher Einlagen annehmen und Kredite vergeben. Allerdings würden sie die Geldmenge durch ihre Kreditgewährung nicht mehr verändern können (…). Ihre Kreditgewährung wäre fortan ein Transfer von vorhandenem Geld vom Sparer zum Kreditnehmer. Den Geschäftsbanken wäre die Möglichkeit zur Geld- und Kreditschöpfung genommen. Aber auch die Zentralbanken würden die Hoheit über die Geldmenge verlieren und vermutlich durch privatwirtschaftlich organisierte Einlagensicherungsfonds ersetzt. Der Zins würde zu einem freien Marktphänomen und würde folglich nicht mehr der beliebigen Manipulation der Zentralbanken unterliegen. Das “Free Banking” macht das Geld wieder zu einem Phänomen, das im Einklang mit der freien Marktordnung steht: Geld wird – wie jedes andere Gut auch – wieder zum Eigentum der Geldhalter.
(…) “Free Banking” verspräche nicht nur besseres Geld als das staatliche und auf Zwang beruhende Papiergeld, sondern es sorgte auch dafür, dass Konjunkturverläufe weniger schwankungsanfällig sind, weil freies Marktgeld Fehlinvestitionen und damit Wirtschaftskrisen entgegenwirkt. Auch der Spielraum für wachstumsschädliche Marktinterventionen, die regelmäßig aus Wirtschafts- und Finanzkrisen erwachsen, würde zurückgedrängt. (…) So gesehen ist freies Marktgeld die beste Versicherung gegen die Unbeherrschbarkeit und Willfährigkeit des staatlichen Papiergeldmonopols. Auf dem freien Markt wird sich gutes Geld durchsetzen. Niemand hält freiwillig schlechtes Geld. Nur durch gutes Geld kann diese Krise überwunden werden.